Bienen in Not? MDR Film beantwortet die Frage (Textarchiv)

Nach Schwein und Rind ist die Biene das dritt-wichtigste Nutztier. Ohne ihren Flug von Blüte zu Blüte würde es zwei Drittel unserer Nahrungsmittel nicht geben. Unsere Lebensmittelpreise würden explodieren.

Bienen in Not - Sie dürfen nicht sterben

Wer sonst soll Obstbäume und Gemüsepflanzen bestäuben? Der Mensch, wie bereits in einigen Regionen Chinas? Medienspezialist Daniel Baumbach hat sich über Monate mit der Fragestellung befasst, in welcher Gefahr Bienen aktuell schweben und was die Wissenschaft für sie tut. Die Erstausstrahlung des Films lief am 23.07.2014 in der Sendereihe „Exakt, die Story“ im MDR-Fernsehen.

Film in der MDR-Mediathek

MDR-Webseite zum Film

Honigwabe mit Bienen

Französische Ökonomen haben errechnet, dass die kleinen Arbeiter im Jahr weltweit eine Wertschöpfung von etwa 200 bis 300 Milliarden Dollar erwirtschaften. Und doch schützen wir die Biene nicht, sondern bedrohen sie: durch Monokultur, durch gefährliche Schädlinge, durch Pestizide – und durch zu wenige Imker. Autor Daniel Baumbach geht in seiner Reportage den Fragen nach: Wie steht es um unsere kleinen Nutztiere im Moment? Was setzt ihnen am meisten zu? Wie können wir ihnen helfen? Imker, Wissenschaftler, Bauern, Umweltschützer und Vertreter der Chemieindustrie kommen dazu zu Wort. Es werden Minichips vorgestellt, die auf die kleinen Körper geklebt werden, um das Flugverhalten zu erforschen. Die Kamera ist bei der Vermehrung von Königinnen dabei oder bei der Bekämpfung der Varroa-Milbe.

Noch vor hundert Jahren gab es vier Millionen Bienenvölker in Deutschland, heute sind es nur noch rund 700.000. Das bedeutet, dass allein im letzten Jahrhundert der Bienenbestand um 80 Prozent zurückgegangen ist. „Früher waren sie ein schlechter Imker, wenn sie zwei bis drei Prozent ihrer Bienenvölker verloren haben. Heute sind sie ein guter Imker, wenn sie nur zehn Prozent ihrer Bienen im Winter verlieren. Stellen sie sich mal vor, jedes Jahr würden zehn Prozent der Kühe in Deutschland auf dem Feld verenden. Das wäre ein Aufschrei“, kommentiert Dieter Kremerskothen den Bienenschwund.

Hier ist sein Original-Text zum Film:

Der Versuch, das perfekte Bienenvolk zu züchten. Geschlechtsreifen Drohnen wird das letzte Tröpfchen Sperma entnommen. Dutzende der männlichen Bienen geben in dieser Arnstädter Imkerei so ihr Leben für ein höheres Zuchtziel.

OT Markus Stoß, Berufsimker: Das optimale Bienenvolk muss friedlich sein, das Bienenvolk soll wabenstet sein, dass die Bienen nicht sinnlos hin und herlaufen, sondern auf der Wabe bleiben, da kann der Imker besser arbeiten, das Bienenvolk muss natürlich eine hohe Honigleistung haben, um dem Imker das Auskommen zu ermöglichen, es muss krankheitsresistent sein und möglichst schwarm-resistent, also erst spät anfangen zu schwärmen.

Imker nimmt Königin aus einem Gewusel von Bienen

Die Zucht-Drohnen mussten durch einen strengen Auswahlprozess. Anonym wurden ihre Völker von Gutachtern getestet. Inzucht darf es nicht geben, daher kommen sie aus verschiedenen Völkern. Alles wie in der Natur, nur deutlich zielführender.

OT Albrecht Stoß, Imker Arnstadt: Die natürliche Befruchtung von Bienenköniginnen geschieht in der Luft. Und zwar in 60 bis zehn Metern Höhe auf so genannten Drohnen-Sammelplätzen. Wir haben als Menschen ganz schlecht in der Hand, welche Drohnen auf diesen Sammelplätzen sind und von wen die Königin begattet wird. Und da sich eine Königin mit bis zu 18 Drohnen paart, können da fremde Drohnen drin sein, deren Eigenschaften wir nicht in unserer Zucht haben wollen.

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Auch die Königinnen sindhandverlesen. Ihnen wird ein Sperma-Mix von gut einem Dutzend Drohnen injiziert. Insgesamt etwa acht Mykroliter: Das sind 0,008 Milliliter. Funktioniert die Befruchtung wird jede Königin Tausende Arbeiterinnen produzieren, die sanftmütig sind und überaus fleißig.

Stirbt die Biene, stirbt auch der Mensch, lautet ein bekannter Spruch, der Albert Einstein zugeschrieben wird. Vielleicht ein wenig übertrieben. Doch Fakt ist: Nach Schwein und Rind ist die Biene weltweit das drittwichtigste Nutztier. Es ist nicht nur der Honig. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der nur ein leckeres Nebenprodukt ihrer eigentlichen Arbeit.

Stirbt die Biene, dann explodieren mit Sicherheit unsere Lebensmittelpreise. Wer sonst soll Obstbäume und Gemüsepflanzen bestäuben? Der Mensch, wie bereits in einigen Regionen Chinas?

OT Jörg Dornberger, Fahner Obst e. G. : Bestäubung ist halt das A und O im Obstbau und da sind wir auf die Bienen sehr stark angewiesen, ja. Ein Handbestäubung hier in Deutschland kann ich mir nicht vorstellen. Siehe Mindestlohn. Geht nicht. Die Imker bekommen zwar eine Bestäubungsgebühr, aber das ist natürlich nicht vergleichbar, als wenn wir mit dem Pinsel durch die Plantagen laufen würden.

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Französische Ökonomen haben errechnet, die kleinen Arbeiter erwirtschaften im Jahr weltweit eine Wertschöpfung von etwa 200 bis 300 Milliarden Euro.

Ein Erfurter Bio-Supermarkt stellt nach: Was würde passieren, wenn Bienen nicht mehr Blüten bestäuben? Das Obst- und Gemüseregal erinnerte dann an Mangelwirtschaft. Äpfel, Zwiebeln, Karotten, Tomaten – alles weg.

In Deutschland übernehmen zirka 550 Bienenarten den Bestäubungs-Job. Nur eine davon ist die Honigbiene, der Rest sind Wildbienen-Arten. Und dann gibt es noch 30 bis 35 Hummel-Arten. Sie teilen sich die Bestäubung mit anderen Insekten. Wobei Honigbienen und Hummeln im Obst- und Gemüsebau gezielt eingesetzt werden können. Doch es gibt einfach zu wenige Bienenvölker. Gab es vor hundert Jahren 4 Millionen Bienenvölker in Deutschland, so sind es jetzt rund 700.000. Ein Rückgang von über 80 Prozent! Eine Entwicklung, die nicht nur dem Präsidenten des Europäischen Imker-Verbands Sorgen bereitet.

OT Walter Haefeker, Präs. Europ. Berufsimkerverband: Früher gab es Berufe, die man mit der Bienenhaltung gut verbinden konnte. Unheimlich viele Eisenbahner hatten neben ihrem Schrankenwärterhäuschen noch ein paar Bienenvölker aufgestellt und haben tatsächlich so viele Bienenvölker gehalten, dass sie damit ihr Einkommen aufbessern konnten. Heute ist das Interesse eher, überhaupt Bienen zu halten, ein paar Völker, um die Bienen besser zu verstehen.

Berufsimker wie Dieter Kremerskothen aus Caaschwitz in Ostthüringen muss man fast mit der Lupe suchen. Er ist einer von rund zehn Imkern in Thüringen, die mit Bienenhaltung ihren Lebensunterhalt verdienen. Mit 135 Bienenvölkern. Jedes Jahr muss er aufs Neue Verluste verkraften.

OT Dieter Kremerskothen, Berufsimker: Früher waren sie ein schlechter Imker, wenn sie zwei bis drei Prozent ihrer Bienenvölker verloren haben. Heute sind sie ein guter Imker, wenn sie nur zehn Prozent ihrer Bienen im Winter verlieren. Stellen sie sich mal vor, jedes Jahr würden zehn Prozent der Kühe in Deutschland auf dem Feld verenden. Das wäre ein Aufschrei!

Und dabei benötigt die Natur gerade die Bienen. Kühe bräuchte sie nicht.

OT Dieter Kremerskothen: Sie brauchen nur, um den Naturhaushalt am Laufen zu halten, pro Quadratkilometer zirka fünf bis sechs Bienenvölker. Thüringen liegt, glaube ich, bei einem oder 1,5. Das ist ein bisschen wenig. Und am Laufen gehalten wird, heißt, da haben sie nur den jetzigen Stand konserviert. Damit ist noch keine Artenverbesserung z. B. bei Singvögeln oder irgendwelchen Wildpflanzen erreicht. Da brauchen sie mehr Bestäuber.

Schuld am Bienenmangel ist auch die Varoa-Milbe. Vor 30 Jahren wurde der Parasit aus Asien eingeschleppt. Er gilt er als der Bienenschädling weltweit. Die Milbe saugt bereits Larven aus, so dass sich deren Organe nicht richtig entwickeln können.

OT Dr. Otto Boecking, Bieneninstitut Celle: Die Varoamilbe kann Viren übertragen, und das verstärkt noch ihre Wirkung. Da haben wir solche Erscheinungen, das Bienen, die von der Varoamilbe parasitiert sind und gleichzeitig das Bienen-Deformations-Virus mit sich tragen, die Flügel bei der Entwicklung der Biene gar nicht ausgebildet werden. Eine Biene ohne Flügel kann nicht fliegen.

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Die Imker müssten lernen, mit dem Parasit zu leben. Denn los würden sie ihn nicht mehr. Da sich Varoa-Milben gern in Drohnen-Brut ansiedeln, sollte die Brut regelmäßig vernichtet werden. Und nach der Honigsaison müsste vorbeugend Medizin zum Einsatz kommen. In diesem Jahr könne es ein großes Varoa-Problem geben, weil viele Imker nur nachlässig bekämpft hätten.

OT Dr. Otto Boecking: Wir sind Anfang des Jahres gestartet mit mehr Milben als in anderen Jahren, dann baut sich schnell eine so große Population an Milben auf, dass die Schadschwelle schnell überschritten wird. Und wir haben jetzt schon, Mitte des Jahres, Rückmeldungen von Imkern, die ihre Bienenvölker verlieren.

OT Walter Haefecker: Die Varoamilbe ist das Schreckgespenst, das man gern in den Vordergrund rückt, um die Pflanzenschutzmittel aus der Schusslinie zu bekommen.

Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft sind nach Meinung vieler Imker der wichtigste Grund für den Verlust von Bienenvölkern. Pflanzenschutzmittel seien gefährliche Nervengifte. Durch Pestizide verlören die Bienen ihr Orientierungs- und Kommunikationsvermögen sowie die Fähigkeit, sich um den Nachwuchs zu kümmern.

S1690001Altgediente Imker wie Wolfgang Merten haben noch ein anderes Verhalten beobachtet.

OT Wolfgang Merten, Hobby-Imker: Wenn ein Rapsfeld gesprüht wird und meine Bienen sind noch voll drin und werden mit diesem Mittel, das angeblich so ungefährlich sein soll, benetzt, dann kommen die nicht wieder nach Hause, weil sie stinken. Sie riechen anders und am Flugloch findet eine Kontrolle statt durch die Flugloch-Wachen und die werden dann nicht reingelassen. Die sind verloren.

Aber wie wirken die Pflanzenschutzmittel insgesamt? Eine Erfurter Firma hat gemeinsam mit der Universität Würzburg ein System entwickelt, mit dem Bienen gekennzeichnet werden können. Sonst werden mit den winzigen Chips hochwertige Produkte markiert.

OT Reinhard Jurisch, GF Microsensys: Wir haben zurzeit noch das kleinste Transponderbauteil weltweit, wo ein Siliziumchip und Antenne in einer Funktionalität vereint ist. Die Größe ist ein Millimeter mal 1,6 Millimeter, so das die Biene nicht so viel zu tragen hat, was ja das Wichtige bei dieser Anwendung war.

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Wenige Milligramm wiegt jeder Chip. Wie ein Rucksack wird er der Biene auf den Rücken geklebt und bleibt dort bis zu ihrem Lebensende. Weltweit setzen Bienenforscher das System ein. In Deutschland forscht derzeit das Bieneninstitut im hessischen Oberursel damit.

Biologiestudentin Frederike Weßel erkundet für ihre Bachelor-Arbeit, ob sich das Orientierungsvermögen der Tiere verändert, wenn sie eine bestimmtes Pflanzenschutzmittel einnehmen.

OT Frederike Weßel, Studentin Oberursel: Ich mach das mit insgesamt 20 Bienen. Ich habe einmal das Kontrollfutter und einmal das Futter mit Clotianedin. Ich nehme jeweils zehn Mykroliter, was die fressen müssen, und dann hab ich noch eine Kontrolllösung mit wirklich nur Honigwasser und damit werden werden die gefüttert, bis sie satt sind, damit die nicht mehr sammeln gehen. Und dann werden die einmal nach Null und nach 30 Minuten freigelassen.

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Auf jedem Chip ist eine Nummer gespeichert. Jedes Mal, wenn eine Biene das Einflugloch ihres Stocks passiert, wird sie automatisch ausgelesen. Bereits in früheren Messreihen haben die Forscher festgestellt, Pflanzenschutzmittel beeinflussen das Landschaftsgedächtnis der Bienen. Und auch das Vektor-Gedächtnis, den inneren Kompass.

OT Prof. Grünewald, Bienenforschungsinstitut Oberursel: Wir stellen fest, bei relativ hohen Konzentrationen finden weniger Tiere heim als unter Kontrollbedingungen, also solchen Tieren, die kein Insektizid genommen haben. Das heißt: Unter solchen experimentellen Bedingungen gibt es Beeinträchtigungen des Navigationsverhaltens. Allerdings bedeutet das noch nicht, dass das im Feld, also unter natürlichen landwirtschaftlichen Bedingungen auch der Fall ist.

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Unbestritten ist, dass Pflanzenschutzmittel Insekten und damit auch Bienen nach Kontakt sofort töten können, weshalb Bauern strenge Auflagen haben.

So werden Pflanzenschutzmittel in vier Kategorien eingestuft:

B 1 für bienengefährlich

B 2 darf nur nach dem Bienenflug angewendet werden

B 3 darf nur unter anderen Auflagen eingesetzt werden

B 4 ist nicht bienengefährlich

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Verantwortungsvolle Landwirte halten sich pedantisch genau an Anwendungsvorschriften. Sie führen aufwendig Protokoll, was sie wann, wo und wogegen einsetzen. Oder sie verwenden ausschließlich Mittel, die als nicht-bienengefährlich eingestuft sind. Doch selbst diese Wirkstoffe bringen Bienen um.

OT Dieter Kremerskothe, Berufsimker: Wenn sie so ein B 4-Mittel zulassen, da gibt’s die L 50, d. h. Innerhalb von 48 Stunden stirbt, wenn das ausgebracht wird, rein theoretisch jeder zweite Nützling. D. h.: Jede zweite Biene, die damit besprüht wird, stirbt. Stellen sie sich mal vor, ihr Frau isst eine Aspirin-Tablette und sie essen eine. Wer von ihnen möchte denn sterben?

OT Prof Grünewald, Bienenforschungsinstitut Oberursel: Es gibt Substanzen, die sind giftig, es gibt Substanzen, die sind weniger giftig und es gibt Substanzen die sind sehr, sehr giftig. Man denkt immer, dass die sehr Giftigen die besonders Gefährlichen sind, das ist aber oft gar nicht der Fall, weil eine sehr gifte Substanz wirkt und tötet die Bienen ab und hat aber keinerlei langfristige Effekte, weil die Substanz so giftig ist. Während andere unterschwellig wirken und dann über lange Zeit wirken können.

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Sorgen bereitet Wissenschaftlern und Imkern auch der Mix aus verschiedenen Substanzen, der so genannte „Cocktail“. Dieser Cocktail entsteht, wenn die Arbeiterinnen auf verschiedenen Feldern unterschiedliche Pflanzenschutzmittel aufnehmen und mit in ihren Stock bringen. Oder wenn der Landwirt selbst mehrere Pestizide mixt, um gleichzeitig gegen Schadinsekten und gegen Pilze vorzugehen.

OT Haefecker: Es gibt vielleicht Untersuchungen über die Wirkung der einzelnen Substanz. Es gibt aber praktisch keine Untersuchung über die Wirkung des Cocktails. Und wir müssen den Cocktail so klein wie möglich halten, um die Bienen zu schützen. Und bei der Gelegenheit reduzieren wir den Cocktail der Substanzen, die wir in unseren Lebensmitteln zu uns nehmen.

Heftig umstritten zwischen Landwirten und Imkern ist immer wieder die Frage, dürfen Pflanzenschutzmittel direkt in die Blüte gesprüht werden oder nicht?

OT Haefecker: Wenn ein Produkt als so ungefährlich gilt dass man es sogar in die Blüte spritzen könnte, dann überlebt es vielleicht die Biene, dann haben wir aber das Produkt im Honig. In beiden Fällen wehren wir uns als Imker vehement dagegen, dass überhaupt ein Mittel beworben wird, um es in die Blüte zu spritzen, das sollte man in keinem Fall machen.

OT Joest, Landwirt und Pflanzenschutzbeauftrater: Dann muss man einfach die Qualitätsstandards, von dem, was man erzeugt, runternehmen. Weil die Qualitätsstandards sind so und gespritzt werden soll so. Und nichts machen und hohe Qualitäten produzieren, das funktioniert nicht.

Bevor Pflanzenschutzmittel zugelassen werden, wird geprüft, wie gefährlich sie sind. Ein meist jahrelanger Prozess.

OT Werner von der OjeBei klassischen Tests werden erwachsene Bienen gefüttert mit Wirkstoffen bzw. ihnen wird auch etwas auf den Panzer gegeben. Damit errechnet man einen LD 50-Wert, einen statistischen Wert, ab wann ein Wirkstoff für eine Biene gefährlich wird. Dann gibt es aber weiterführende Studien. Tunnelversuche. Da hat man dann eine attraktive Pflanze für die Bienen, man stellt kleinereBienenvölker in diesen Tunneln auf appliziert Pflanzenschutzmittel in unterschiedlichen Dosierungen und bonitiert dann über einen längeren Zeitraum diese Bienenvölker, ob dort Totenfall auftritt etc..

Viele Imker kritisieren allerdings, dass diese Forschung in Deutschland nicht unabhängig sei.

OT Haefecker: Dass in einigen Ländern Bienenwissenschaftler auf dem Insektizid-Auge blind sind, ist Ergebnis der langjährigen Landschaftspflege, die die Chemieindustrie in der deutschen Wissenschaft betrieben hat. Wir zwingen die Wissenschaft dazu, sich über Drittmittel zu finanzieren.

Seit Ende vergangenen Jahres sind in der EU drei Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide verboten. Vorerst, für zwei Jahre.

OT Haefecker: Neonicotinoide sind Nervengifte, die als Insektizid eingesetzt werden. Die akute Toxidität dieser Stoffe ist für Bienen bis zu 7000 mal höher als DDT.

OT Joest, Landwirt und Pflanzenschutzbeauftragter: Das war eine Standartbeizung gewesen gegen kleine Kohlfliege zum Beispiel im Raps. Da wurde das noch eingesetzt bis zum Herbst letzten Jahres. Jetzt haben wir die Beize halt nicht mehr. Jetzt wird aus der Beize eine Flächenspritzung im Herbst werden. Ob das nun besser ist? Das sei dahingestellt.

Neonicotinoide sind schuld am großen Bienensterben am Oberrhein im Jahr 2008 – hier gefilmt von Imkern selbst.

Atmo: Diese Zelle hier, die isch scho wieder tot. Des sischte von ußen scho, dass die annersch isch.

12.000 Bienenvölker sind damals in der Oberrhein-Ebene zugrunde gegangen. Sie waren in Kontakt mit dem Wirkstoff Clothianidin gekommen. So mancher baden-württembergische Imker verlor seine gesamte Jahresproduktion.

Atmo: Mir hen jetz über 100 Waben hergebracht, die werden jetzt vernichtet. Des isch e Riesensauerei.

Saatkörner waren mit dem giftigen Insektizid ummantelt, um so den Schädling Maiswurzelbohrer zu bekämpfen. Die Firma Bayer, einer der beiden großen Hersteller von Nicotinoiden, weisst nach wie vor die Schuld an diesem Massensterben von sich.

OT Dr. Christian Maus, Öko-Toxikologe Bayer CropScience AG: Da wurden einigen Chargen von unkorrekt gebeiztem Mais verwendet, wodurch sich der Wirkstoff von dem Samen ablösen und in die Umwelt gelangen konnte. Das war ein Unfall, der durch eine inkorrekte Anwendung verursacht worden ist.

Als das Verbot der drei Wirkstoffe durch die EU drohte, warfen die Hersteller ihre PR-Maschine an. Ohne Nicotinoide würden Schädlinge bis zu 40 Prozent des Saatguts vernichten und extreme Kosten verursachen. Nicht Pflanzenschutzmittel sind die eigentliche Bedrohung für Bienen, sondern natürlich die Varoa-Milbe, wurde immer wieder betont. Die Hersteller konnten das EU-Verbot der Neonicotinoide nicht stoppen. Nun klagen Bayer und Syngenta dagegen beim Europäischen Gerichtshof. Und das, wie man bei Bayer offen zugibt, weil solche Verbote keine Schule machen sollen.

OT Annette Schürmann, Leiterin Bayer Bee Care Center: Wir denken, dass wir ein verlässliches und von allen Beteiligten verabschiedetes Verfahren benötigen, nach dem Zulassungsverfahren umgesetzt werden und das geht natürlich über Pflanzenschutzmittel der Neonicotinoid-Klasse hinaus.

Stoisch lässt die Firma Bayer seit Jahren Proteste von Greenpeace über sich ergehen. In schöner Regelmäßigkeit protestieren die Aktivisten zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft gegen bienengefährdende Chemikalien.

2013 hat Greenpeace eine Pestizid-Studie erstellen lassen und fordert seit dem das Verbot von insgesamt sieben gängigen Pestiziden. Und zwar ein richtiges Verbot.

OT Christiane Huxdorff, Greenpeace e. V.: Das Verbot, wie es jetzt gerade von der EU gilt, ist mehr ein löchriger Käse. Es ist gar kein Verbot, es ist mehr eine Anwendungsbeschränkung, die – wenn man nach Holland schaut – nur 33 Prozent der Anwendungen wirklich einschränkt. Also, da muss noch viel mehr getan werden und das Verbot muss wirklich unbefristet und vollkommen werden.

In einer aktuellen Kampagne setzen sich Künstler wie Fettes Brot, OleSoul und Torfrock für die Bienen und gegen Pestizide ein.

Let´s save the bees – Greenpeace

Und dann ist da noch die landwirtschaftliche Monokultur. Die riesigen Felder fordern geradezu den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, weil sich Schädlinge hier rasend schnell vermehren können. Durch die Mega-Flächen finden Bienen auch nicht genug Pollen. Gibt es in der Rapsblüte Futter im Überfluss, verhungern die Tiere später, wenn sich das gelbe Meer grün gefärbt hat.

Dieter Kremerskothe, Berufsimker: Das müssen sie sich so vorstellen, mangelernährungsmäßig, sie können am Montag Frühstück, Mittag, Abendbrot machen, am Dienstag auch noch und ab Mittwoch wird ihn dann immer eine Ration gestrichen, bis sie dann Freitag, Samstag, Sonntag hungern.

Die Imker fordern: Monokulturen weg, kleinteiliger Ökolandbau her. Buntland statt Grünland, lautet der Slogan.Warum immer nur Mais als Futterpflanze anbauen und nicht blühenden Weiß- oder Perserklee? Bei diesen Pflanzen finden Bestäuber genug Nahrung. Auch die Durchwachsene Silphie sei als Energiepflanze ein guter Ersatz für Energiemais, der weniger ertragreiche Blüten hat.

In ihrer Agrarreform 2015 hat die EU reagiert. Landwirtschaftsbetriebe müssen 5 Prozent ihrer Flächen als ökologische Vorrangflächen ausweisen. Zum Beispiel sollen Randstreifen mit blühenden Kräutern stehen bleiben. „Greening“-Auflagen für einen ökologischen Effekt. Doch den machen konventionelle Landwirte schnell wieder zunichte, meint Ökolandwirt Friedhelm Feind aus Mühlhausen.

OT Friedhelm Feindt, Geschäftsführer Gut Sambach, Mühlhausen: Die nehmen immer den spitzen Bleistift und schauen, wie viel können sie noch aus dem letzten Hektar und den 5 Prozent Randstreifen noch herausbekommen. Da hat sich offensichtlich auch die chemische Industrie durchgesetzt, lobbymäßig, dass die konventionellen Landwirte dort in dem Greeningstreifen auch Pestizide einsetzen. Und das ist natürlich für die Bienen nicht förderlich.

Einen kleinteiligen Ökolandbau mit abwechslungsreichen Fruchtfolgen und ohne Pestizide, das wünschten sich die Imker für ihre Bienen. Vollkommen unrealistisch sei das, sagen dagegen konventionelle Landwirte.

OT Joest, Pflanzenschutzbeauftragter: Allein bei den Insektiziden wird es schwierig konstante Erträge zu erzielen und dann auch Ware zu produzieren zu vernünftigen Preisen. Das ist ja das große Risiko dabei. Das sind ja die Schwankungen im Ökolandbau. Die haben ja gar nichts an der Hand, um so was zu regeln. Die haben entweder Riesenerträge oder katastrophale Erträge.

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Was und wie die Landwirtschaft anbaut, haben Imker nicht in der Hand. Was können sie tun? Sie müssen möglichst resistente Bienen züchten. Überall im Land gibt es dafür so genannte Belegstellen. Dort können Imker ihre Königinnen mit ausgewählten Drohnen paaren lassen – wie hier im Thüringer Wald.

OT Albrecht Stoß, Imker aus Arnstadt: Man versucht in einem gewissen Radius alle Bienenvölker wegzuräumen, so auch in Gehlberg, im Umkreis von sieben Kilometern und in diesem Flugradius werden Völker aufgestellt, deren Drohnen frei fliegen können, die also diesem Zuchtziel entsprechen. Es sind also keine andere Drohnen da und demzufolge können sich die Königinnen auch nur mit den Drohnen paaren, die wir aufgestellt haben.

60 ausgezeichnete Drohnen-Völker haben die Imker und ein Bieneninstitut aufgestellt. Ihre wichtigste Eigenschaft: Sie müssen sich aktiv gegen die Varoa-Milbe zur Wehr setzen.

OT Völlger, Leiter Belegstelle GelbergJe besser eine Biene putzt, um so geringer ist die Chance, dass die Milbe sich vermehren kann. Weil die Milbe braucht eine gewisse Zeit in der verdeckelten Brut. Dadurch, dass die Bienen erkennt, halt, das stimmt was nicht in der Zelle, die schmeiß ich raus, hat die Milbe keine Chance, sich so zu vermehren.

Die Imker brauchen vitalere Bienenvölker. Sie brauchen aber auch wieder deutlich mehr Kollegen. Imkern muss zum Trend werden, fordern die Imkerverbände. Und in einigen Großstädten geht es langsam los. Stadt-Imker erobern das Terrain. Hier stehen die Bienenkästen z. B. auf der Erfurter Messe. Diese urbane Umgebung hat Vorteile für Imker und Bienen.

OT Kremerskothe: Sie sind gesünder, deshalb gehen ja auch viele Imker in die Stadt. Weil dort haben sie ein Blütenangebot vom Frühjahr bis zum ersten Frost. Da haben sie die Friedhöfe, die Parkanlagen, die Schrebergärten. Überall blüht was.

OT Haefecker: Das kann aber nicht die Lösung sein, dass wir die Städte brauchen als Refugium, weil wir die Kulturlandschaft draußen so bienenfeindlich gemacht haben.

Die Biene ist das drittwichtigste Nutztier des Menschen. Unersetzlich als Bestäuber für die menschliche Ernährung, unersetzlich im Kreislauf der Natur. Damit sie leben kann, müssen wir alle umdenken.

OT Haefecker: Unser Appell: Jeder soll an seiner Stelle, den Druck von der Biene wegnehmen. Wir versuchen besser zu werden bei der Varoabehandlung. Die Pflanzenschutzmittel-Hersteller müssen besser werden, bienenfreundliche Produkte zu entwickeln. Müssen die neuen Tests akzeptieren. Als Gesamtgesellschaft müssen wir uns überlegen, wie gehen wir mit unserer Kulturlandschaft um, wie intensiv soll unsere Landwirtschaft ausschauen. Da ist die Frage an uns Verbraucher, wie ernähren wir uns. Finanzier ich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln jedes Mal, wenn ich einkaufen gehe oder können wir alle an unserer Stelle Druck von den Bienen und überhaupt aus der Agrarlandschaft herausnehmen. Ich glaube, das ist möglich.

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