Stadt Gotha sucht sterbliche Überreste ihres Retters Josef Gadolla

Seit Jahren will die Stadt Gotha ihrem Retter, Josef Ritter von Gadolla, mit einem Ehrengrab auf dem städtischen Hauptfriedhof gedenken. Bisher scheiterte es daran, dass nicht genau bekannt war, wo die sterblichen Überreste des ehemaligen Stadtkommandanten verscharrt sind. Jetzt gab es eine Spur im Norden von Weimar, die so heiß schien, dass die Stadt Gotha und der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge gemeinsam nach den Gebeinen graben ließen.

Hier geht´s zum Fernsehbeitrag von Medienspezialist Daniel Baumbach.

Graben wurde zugeschüttet

Luftbild April 1945

Die Spur führte zu einem Anfang April 1945 zugeschütteten Schützengraben auf dem Gelände einer früheren Wehrmachtskaserne unterhalb des Weimarer Ettersberges. Der Privatforscher Christian Handwerck vom Flugplatz Nora e. V. hatte diesen auf Luftbildern der Alliierten entdeckt. Am 5. April 1945 war der Oberstleutnant der Deutschen Wehrmacht, Josef Ritter von Gadolla, auf dem Kasernen-Gelände durch ein Exekutionskommando hingerichtet worden. Das belegen Zeugenaussagen. Unklar war in den letzten Jahrzehnten, was danach mit seiner Leiche geschah. Irgendwo in Weimar muss sie verscharrt worden sein. War es vielleicht in diesem Schützengraben?

Aktuelles Luftbild

Luftbilder stützen These

Für die Theorie sprachen zwei Luftbilder. Auf dem einen von März 1945 ist der Graben erkennbar noch offen. Auf dem anderen, das nach dem 5. April aufgenommen wurde, ist zu sehen, dass er deutlich erweitert und teilweise zugeschüttet wurde. „Es gab auf jeden Fall Aktivitäten an dem Graben“, sagte Privatforscher. Handwerck konnte den Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch von seiner Theorie überzeugen, dass in dem Graben deutsche Soldaten verscharrt wurden, die in den letzten Kriegstagen standrechtlich erschossen worden waren. Dafür, dass auch der Gothaer Stadtkommandant Gadolla darunter war, sprachen auch Aussagen von ehemaligen Zwangsarbeitern. Die hatten einen toten Wehrmachtsoffizier gesehen, deutlich erkennbar an der Uniform und den Stiefeln – mit großer Wahrscheinlichkeit also Gadolla.

Schweres Gerät baggert Graben frei

Oberbürgermeister Kreuch ließ alle Genehmigungen für eine Grabung einholen. Und in dieser Woche haben städtische Mitarbeiter das Gelände beräumt, Bäume gefällt und den Verlauf des ehemaligen Schützengrabens  nachvollzogen. Insgesamt 750 Kubikmeter Erde mussten von einer Erdbaufirma weggeschafft werden, bevor am Freitag ein so genannter Umbetter des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge auf dem Niveau des früheren Grabens nach menschlichen Überresten suchen konnte. Am Tag zuvor hatte der Bagger schon 14 Entfernungsmessgeräte der Wehrmacht freigelegt – alle erstaunlich gut erhalten.

Entfernungsmessgeräte

Laut Typenschildern Geräte, die Zeiss Jena für das deutsche Afrikakorps in Kleinserie gefertigt hatte. Deutlich zu erkennen war ihr geplanter Einsatzort auch an der Lackierung in Wüstenfarbe – anstatt des sonst obligatorischen militärischen Grüns. Die Geräte könnten, falls sie wieder hergerichtet werden, Exponate für ein Militärmuseum werden.

Keine menschlichen Überreste gefunden

Leider blieben die Entfernungsmessgeräte und einiger metallischer Schrott die einzigen Fundstücke. Menschliche Knochen oder sonstige Überreste wurden nach tagelanger Arbeit nicht gefunden. Für Oberbürgermeister Knut Kreuch, der selbst zum Grabungsort nach Weimar gekommen war, eine große Enttäuschung. „Das war´s mit der Suche nach Gadolla“, sagte er. Rund 30.000 Euro hatte die Suchaktion Bund und Land gekostet und dann das: kein vorzeigbares Ergebnis. Privatforscher Handwerk vermutet, dass eventuell die sowjetische Armee kurz nach dem 2. Weltkrieg an dem Graben dran war.

Aber warum wurden dann nicht einmal kleinste Knochenstücke gefunden? So gründlich können die Sowjets nicht aufgeräumt haben.

Gadolla sollte Ehrenbegräbnis bekommen

Knut Kreuch und Christian Handwerck

Eigentlich hatte sich die Stadt Gotha alles perfekt geplant. Gefundene Knochen sollten im Labor analysiert werden. DNA-Vergleichsproben mit einem Nachkommen Gadollas aus Graz in Österreich sollten den Nachweis bringen, dass es die Überreste von Josef Ritter von Gadolla sind. Eine ehrenvolle Bestattung auf dem städtischen Hauptfriedhof in Gotha war für den 5. April 2022 geplant, seinem 75. Todestag.

Für die Gothaer, aber auch für Grazer, ist Gadolla eine Art Held. Der österreichisch-deutsche Oberleutnant hatte sich als Stadtkommandant von Gotha verpflichtet, den Kampf „bis zum Äußersten mit Waffengewalt“ fortzusetzen. Doch dann regte sich in den letzten Kriegstagen 1945 sein Gewissen. Er war sich nicht mehr sicher, ob dieses Versprechen mit seinem christlichen Weltbild zu vereinbaren sei. Somit machte er sich für Gotha zur Aufgabe, nicht sinnlos das Leben von wehrlosen Zivilisten zu opfern. Über seine persönlichen Folgen war er sich dabei im Klaren.

Kapitulation rettete Gotha vor Zerstörung

Als amerikanische Panzer am 2. April 1945 auf Gotha vorrückten, ließ er weiße Fahnen als Zeichen der Kapitulation hissen. Doch die SS riss diese wieder herunter, was erneut amerikanische Artillerie- und Tieffliegerangriffe zur Folge hatte. Nach der Bombardierung Nordhausens am 4. April 1945, bei der die Nordthüringer Stadt innerhalb von Minuten in ein Trümmerfeld verwandelt wurde, startete Gadolla einen zweiten Kapitulationsversuch. Mit einem PKW mit einer weißen Fahne und einer weißen Armbinde fuhr er der 3. US-Panzerdivision entgegen. Doch fanatisierte Wehrmachtssoldaten schnappten ihn bei Boilstädt. Am gleichen Tag wurde er in Weimar zum Tode verurteilt. Bereits einen Tag später wurde das Urteil standrechtlich vollstreckt. Gadollas letzte Worte sollen gewesen sein: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!“

Und genauso war es auch. Die Amerikaner stoppten am 4. April 1945 den Beschuss der Stadt, als sie die weißen Fahnen auf Schloss Friedenstein und dem Rathaus sahen. Josef Ritter von Gadolla hatte mit seiner mutigen Tat Gotha vor der Zerstörung gerettet und den Gothaern damit unendliches Leid erspart.

Erst vor einem halbe Jahr wurde bekannt, dass Gadolla Anfang April 1945 auch den ausdrücklichen Befehl erteilt hatte, Gotha nicht zu verteidigen und damit die Stadt den Amerikanern kampflos zu übergeben. Eine mutige Tat, die damals keinesfalls selbstverständlich war.

Der Autor

Daniel Baumbach ist Diplom-Journalist und arbeitet seit 22 Jahren als freier Journalist in Thüringen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit seinem Label Medienspezialist ist der Erfurter außerdem seit Jahren bundesweit als Produzent von Imagefilmen, Medientrainer, Veranstaltungsmoderator und Unternehmensberater tätig (Berufspraxis).

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