Fernsehporträt über Hochseiltruppe Geschwister Weisheit

P1600460Es war ein ungewöhnlicher Wunsch, den Medienspezialist Daniel Baumbach an die MDR-Disposition herantrug. Statt für ihn und sein Fernsehteam in der Schweiz Hotelzimmer zu buchen, sollten die Disponenten ein Wohnmobil mieten. Das hatte es noch im MDR-Landesfunkhaus Thüringen nicht gegeben! Die Unterkunft auf Rädern hatte aber ihren Grund. Nur so konnte das MDR-Team ihren Protagonisten möglichst nahe sein. Denn Schausteller, wie die Hochseiltruppe Geschwister Weisheit, wohnen nun mal nicht in Hotels, sondern direkt auf dem Platz.

Hartmut Kehr, Heino Weisheit, Tino Magira, Daniel Baumbach, Rudi Weisheit (v.l.)

Hartmut Kehr, Heino Weisheit, Tino Magiera, Daniel Baumbach, Rudi Weisheit (v.l.)

Mehre Wochen lang haben Daniel Baumbach und sein Team (Kameramann Tino Magiera, Assistent Hartmut Kehr) die Weisheits zu ihren Auftritten in die Schweiz, in den Niederlanden und Deutschland begleitet. Sie sind der Gothaer Hochseiltruppe, die sie selbst schon als Kinder auf mitteldeutschen Marktplätzen erlebten, näher gekommen. Sie waren dabei, als der achtjährige Max seine ersten Schritte auf dem Hochseil probierte. Sie hatten Herzrasen, als sein 21jähriger Bruder Alexander auf dem schwankenden Hochseilmast probte, während die Familie unten ganz entspannt blieb. Sie erlebten, wie schwer dieser Job Hochseilartistik doch ist, wenn es regnet und kalt ist, wenn die Zeit drückt oder das Publikum nicht richtig mitgeht. Entstanden ist ein abwechslungsreiches und sympathisches Porträt einer ungewöhnlichen Thüringer Familie.

Das 30-Minuten-Porträt „Generationen auf dem Hochseil“ lief am 9.11.2005 in der MDR-Sendereihe „Thüringen Exklusiv“.

 

Hier ist der Originaltext zum Film:

OT Max Weisheit, 8 Jahre:  Ich bin gern auf dem Seil, weil es manchmal richtig Spaß macht. Und Spaß macht mir Stange strecken und freihändig laufen.

OT Peter Weisheit, Vater von Max
Jeder Tag ist eine neue Herausforderung und jede Vorstellung bedeutet neues Herzklopfen und einen richtigen Kick, ist überglücklich und das möchte sich keiner von uns nehmen lassen.

OT Rudi Weisheit, Großvater von Max
Es ist schon besser, wenn jüngere Leute das machen, also so alte. Das ist schon klar. Aber wir müssen unseren Mann noch stehen, haben zu wenig männlichen Nachwuchs. Ist auch ganz gut so, hält uns fit und macht schon noch Spaß.

Max, Peter Mario und Rudi Weisheit – Sohn, Vater und Großvater. Drei Generationen einer außergewöhnlichen Familie aus Gotha. Die „Geschwister Weisheit“ eine Artistentruppe seit 105 Jahren. Ehefrauen, Kinder, Schwiegertöchter und Enkel gehören zum festen Stamm. Rudi und Heino, die beiden Brüder, sind zugleich die Familienpatriarchen. Gemeinsam bilden die 18 Weisheits die größte und leistungsstärkste Hochseiltruppe Europas.

Berühmt vor allem für die 7-Personen-Pyramide. Keine andere europäische Truppe hat sie im Programm.

Die 5-Personen-Pyramide

Die 5-Personen-Pyramide

OT Peter Weisheit
Das Schwierige an der 7-Personen-Pyramide ist die absolute Synchronität jeder Bewegung. D. h.: Wenn der vordere Teil der Pyramide fünf Millimeter schneller und der hintere Teil langsamer ist, dann haben das die beiden Frauen mit Mittelstock wieder auszubalancieren. Und das ist sehr schwer, weil sie haben ja noch Konterbalancen nach links und rechts und sie müssen stillhalten, damit Katarina gut steht.
Ein einziges Mal ist es bisher schief gegangen. Das war in den 90er Jahren.

OT Peter Weisheit
Es war ein technischer Fehler. Der Schulterstock im Mittelstock war nicht richtig gebogen, ist meiner Schwester von der Schulter gerutscht, hat mich bewusstlos geschlagen für Bruchteile einer Sekunde. Das hat gereicht, dass vier von sieben Personen im Netz lagen. Mein Vater hatte eine schwere Kehlkopfquetschung. Wir hatten alle blaue Flecke. Es gab ziemliche Verletzungen. An dem Tag ist die dritte Vorstellung ausgefallen. Aber am anderen Tag haben wir wieder gearbeitet. Man muss dieses Trauma schnell überwinden, damit die Pyramide wieder läuft und sicher steht.

Auch die so genannte Stahlpeitsche ist in der Hochseilartistik einmalig.
In 62 Meter Höhe zeigen Peter Mario und Andre den Handstand und andere halsbrecherische Übungen – ohne jegliche Sicherung. Der Mast schwingt nicht nur bei Wind mehrere Meter nach rechts und links aus.

Seit einiger Zeit wird der 21jährige Alexander an den Mast herangeführt. Nach etlichen Übungen am Boden und auf halber Höhe soll er in der nächsten Saison ganz nach oben.

OT Alexander Weisheit
Wenn man oben dann sitzt, dann fühlt man sich erst einmal wie der König, weil man über alles drüber kucken kann. Aber es ist auch sehr, sehr aufregend immer. Und ich bin immer recht nervös vorher, weil die Höhe ist dann schon anstrengend.
So kleine Unsauberkeiten, wo der Mast dann ins Schwanken kommt, da ist das Nervenkostüm noch ein bisschen dünn dafür. Wenn ich dann oben stehe und mich hinstellen möchte, dann passiert es, dass der Fuß anfängt zu zittern, dann überträgt sich das auf den ganzen Mast und der wackelt umher. Ich muss noch ein bisschen cooler werden, damit ich das hinkriege. Aber ich denke mit der Zeit wird das besser.

Solche europaweit einmaligen Spitzenleistungen. Sie sind Ergebnis jahrelangen harten Trainings. Bei den Weisheits wächst jedes Kind mit dem Seil auf. Mit zwei bis drei Jahren machen sie die ersten Schritte – wie Johanna. Max ist acht und der Zweitjüngste im Hochseilprogramm. Zum ersten Mal will er allein übers 12 Meter hohe Seil laufen.

Peter Mario Weisheit mit Max auf dem Seil

Peter Mario Weisheit mit Max auf dem Seil

OT Peter/Max Weisheit
Auf was musst du achten? (Peter) Entenfüße, keine X-Füße. (Max) Ja, dass die Füße richtig sitzen, Kreuz schön gerade, Stange schön gerade. Und dann klappt die Sache. So, wie wir es unten geübt haben. Hast du Mut? (Peter) Ja. (Max) Na dann geht’s los. (Peter)

OT Rudi Weisheit
Die Kinder sind ja hier dabei aufgewachsen. Unsere Babys im Kinderwagen kucken die schon zu. Normalerweise ist die logische Folge, dass die auch mal auf das Hochseil wollen. Es gibt aber auch welche, die sind Spätzünder. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder, die nicht ein bisschen Druck haben, das erreichen, was sie eigentlich erreichen könnten. Das ist in der Erziehung, das ist überall so. Die brauchen Verpflichtungen, die brauchen eine Linie.

OT Heike/Max Weisheit
Reicht für heute. Noch einmal (Max). Aber du hast keine Kraft mehr. (Heike) Doch. Darf ich noch mal. (Max) Nein, es ist genug. Morgen wieder (Heike).

OT Max/Rudi Weisheit
Das 1. Mal war ganz gruselig, ganz komisch im Bauch, das 1. Mal. (Max)
Habe ich dir doch gesagt. Herzlichen Glückwunsch, mein Junge. So ein kleiner Kerl wie du. Bist zwar schon ein Jahr älter als die anderen, die gelaufen sind. Aber, du warst mutig, nur du verkrampfst dich immer so sehr. Verstehst du? (Rudi)
Ich bleibe immer bei den Weisheits. (Max) Na, das möchte ich wohl sagen. Aber erst musst du noch was lernen. (Rudi) Ja, noch viel (Max) Aber du bist ein guter Junge, du lernst das schon (Rudi)

Familientradition, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und die Fähigkeit, sich unterzuordnen. Das sind die Grundpfeiler des Familienunternehmens Geschwister Weisheit. Ein Artistenbetrieb mit klaren Hierarchien und klarer Aufgabenverteilung. So war es schon immer.

Im Jahr 1900 gründete der Zella-Mehliser Büchsenmacher Friedrich Weisheit mit seiner Frau Marie das Unternehmen. Als „Colther Weisheit“ zog das Ehepaar mit seinen Kindern durch die Lande. Lorenz Weisheit, der 4. Sohn, führte den Artistenbetrieb später als „Arena Weisheit“ fort. Es gab Höhen, und es gab auch Tiefen, wie den 2. Weltkrieg und das Auftrittsverbot in der jungen DDR. Erst 1964 wurde die Hochseiltruppe „Geschwister Weisheit“ bei der staatlichen Kulturdirektion zugelassen.Rudi und Heino Weisheit übernahmen von ihrem Vater Lorenz in den 70ern die Geschicke. Seitdem führen sie den Familienbetrieb in der 3. Generation.

OT Heino/Rudi Weisheit
Ehrendiplome, Goldmedaillen gekriegt. (Rudi) Das einzige, was es nicht gegeben hat, den Nationalpreis. Waren wir aber nicht scharf drauf. Der Kunstpreis war uns lieber. Das sind wir heute noch stolz auf den Kunstpreis der DDR, weil es eine Auszeichnung war, wo man nicht mit dem Parteibuch winken musste. Da musste man wirklich was können. Und jetzt haben wir den Thüringer Verdienstorden und die Ehrenmedaille der Artistik in Gold. Was sagt das? Das sagt, dass wir eine kontinuierlich gute und hochqualitative Leistung bringen.

Kontinuierlich erstklassige Leistungen. Dabei ist Hochseilartistik ist Freiluft-Kunst, wetterabhängig. Selbst wenn es in Strömen gießt, abgesagt wird nur in Ausnahmefällen. Wenige Plusgrade und starker Regen bei den Blauen Nächten in Nürnberg gehören nicht dazu. Job ist Job. Auch, wenn dann die Stimmung mal gereizt ist.

OT Rudi/Heino Weisheit
Das Hauptproblem, dass es hier nicht weiter geht. Dort ist schon wieder einer in die Absperrung gefahren. ….(Diskussion Heino, Rudi.)

Der Aufbauort – direkt auf dem Nürnberger Innenstadtring.

OT Andre Weisheit
Die Straße hat eine Kurve und die Seile können nur gerade gehen. Das muss man genau ausrichten. Jetzt kommen noch Fahrzeuge, ich weiß gar nicht, was die hier wollen, die hier gar nicht hergehören. Da heißt es Ruhe bewahren und mal sehen. Es sind ja nur noch zweieinhalb Stunden bis es losgeht.

OT Rudi Weisheit
Das ist immer der Nachteil bei Innenstadtgastspielen. Weil die Absperrungen immer große Schwierigkeiten mit sich bringen. Das ist heutzutage sehr schwer. Da kann man nichts machen. Entweder man machts, oder man lässt es sein.

Die Stadt Nürnberg als Auftraggeberin wollte den viel befahrenen Stadtring so kurz wie möglich sperren. Vier Stunden Aufbauzeit anstelle eines ganzen Tages. Und einer der wichtigsten Akteure fällt aus. Andre Weisheit hat sich bei einem Fahrradunfall verletzt.

OT Andre Weisheit
Da war ne Baustelle, die habe ich nicht gesehen, die war nicht abgesichert, da bin ich da rein gefahren. Schulter ist schwer verletzt.

Rudi plagen seit Tagen Rückenschmerzen. Die jahrzehntelange harte Arbeit fordert ihren Tribut.

Rudi Weisheit
Noch nicht voll einsatzfähig. Am besten wäre ich zu Hause geblieben, hätte Platzwache gemacht. Aber es wird wieder. Wenn die Sonne kommt, kommt die Gesundheit. Gell?Vom nassen Aufbau sind alle durchgefroren. Doch Peter Mario will den Hochmast nicht absagen. Schließlich steht als Programmpunkt im Vertrag. Seine Frau Heike macht sich Sorgen.

Heike Weisheit
Wenn es nicht gerade in Strömen regnet, ist das schon o.k.. Wenn es so bleiben würde wie jetzt, wären wir ja schon zufrieden. Ist trotzdem sehr gefährlich. Er kann auch nicht alles zeigen. Muss er selbst entscheiden, wenn er erstmal oben ist.

Bei solch einem Auftritt ist die richtige Kleidung das A und O.

OT Katrin Weisheit
Na die sind innen etwas aufgeraut, das sind Stoffe, wie die Biathleten sie haben. Na ja, die sind wärmer als unsere anderen Kostüme. Richtig warm sind die auch nicht.

Für drei Auftritte wurden die Weisheits gebucht, drei Shows werden sie bis Mitternacht durchführen. Auf Peter Mario liegt die größte Last. Er muss auf den 62-Meter-Mast.

OT Peter Weisheit
Es ist alles sehr kalt. Die Hände sind klamm, man kann nicht richtig zufassen. Das erschwert die Arbeit so sehr.
Zumal die Leute hinter den Häusern geschützt stehen, die kriegen ja nicht viel mit vom Wind. Außer den zwei Fahnen, die am Mast hängen.
(Reporter) Aber Angstgefühle hast du nicht mehr?
Nein, da ist nur Konzentration. Vorher hat man schon ein bisschen Herzklopfen, aber wenn die Arbeit beginnt, sollte man keine Angst mehr haben. Da muss man sich konzentrieren und das klappt dann schon.

Wieder einmal ist alle gut gegangenen. Auch das Motorradprogramm: Routine.

Der Abbau dauert bis in die frühen Morgenstunden. Der Innenstadtring muss wieder frei gemacht werden. 13 Stunden Arbeit ohne Pause. Vom Lichtspektakel an der Nürnberger Burg sieht die Familie in dieser Nacht nichts.

Die Weisheits – eine fahrende Truppe mit sechs Zugmaschinen mit Anhänger, diversen Autos mit Campinganhängern. Von April bis Ende Oktober sind sie auf den Straßen und Autobahnen Europas unterwegs. Pendel im Wochenrhythmus von Volksfest zu Volksfest, von Jubiläum zu Jubiläum, von Platz zu Platz.

OT Peter Weisheit
Ideal wären natürlich 28 bis 30 Wochenenden verkauft im Sommer. Haben wir schon gehabt, aber in der letzten Zeit selten geworden, weil die Kommunen sehr klamm sind. Finanziell frei gelenkt. Die brauchen sich über ihren Kulturfonds keine Sorgen mehr machen, weil die Meisten keinen mehr haben. Deshalb haben wir auch andere Veranstalter zum Teil: Sportvereine, Einkaufscenter, private Veranstalter.Wenn Vorstellung ist, dann ist die ganze Familie eingebunden. Mit Kind und Kegel.

Bei den Feierlichkeiten zum Königinnentag im niederländischen Pijnacker sind die Weisheits die größte Attraktion. Tradition verpflichtet – die niederländische Königsfamilie genauso wie die Weisheits aus Gotha. Im historischen Programm alte Seiltänzertricks, wie sie schon vor Hundert Jahren von Marie und Friedrich Weisheit gezeigt worden sind.

Die größte Attraktion: Rudi Weisheit bäckt auf dem Seil einen Eierkuchen, der sogar verzehrt werden kann.

Sofort nach der Show wird abgebaut. Jeder fasst mit an. Selbst die Jüngsten, wie die 12jährige Katja:

OT Katja Weisheit
Es ist keine harte Arbeit. Ich mache nur das, was ich kann. Was zu schwer für mich ist, mache ich nicht.
Was kannst du machen? Was ist deine Aufgabe?
Naja, Stangen abbinden und Fahrräder von oben entgegen nehmen und Stricke zusammen machen

Katharina Weisheit
Die richtig schweren Sachen müssen schon die Männer machen, weil wir gar nicht so stark sind. Es gibt aber auch viele Sachen, wo wir gar nicht so lange warten wollen. Dann fassen wir halt zu zweit an. Das geht. Aber es gibt auch Sachen, die wirklich nur die Männer machen. Wie den Kran vom LKW zu bedienen.

Seit den 90er Jahren erleichtert moderne Technik die Arbeit. Hydraulisch werden die Seile gespannt, viele Lasten tragen Lader und Kran.Früher war Auf- und Abbau eine schwere Plackerei. Allein zum Spannen des Hochseils mussten 70 Ankereisen in den Boden gerammt werden. Heute machen Rudi und Heino das nur noch, um den Jüngeren ab und an zu zeigen, wie leicht sie es heute haben.

OT Rudi, Heino Weisheit
(Rudi) Das war eine Tagesarbeit, diese 70 Anker rein zu schlagen. Und beim rausziehen haben wir ganz schön Kreuzschmerzen gehabt. Die musste man auch alle wegtragen auf den Hänger drauf. (Heino) Da waren ja auch Plätze, wo du eine halbe Stunde geklopft hast. Steine. Felsen. (Rudi) Dann mit fünf Mann. Am Ende haben wir die Hände nicht mehr aufgekriegt, die waren richtig verkrampft, die gingen gar nicht mehr los. Sehr harte Arbeit.
Da haben die Brötchen geschmeckt und die Fettbemme. Heute will man Schinken und macht halb so viel.

OT Heino Weisheit
Katharina los. Und gleich Tempo vorlegen. Locker bleiben und Tempo vorlegen hopp. Heike ab. Komm, komm, komm Tempo. Ja, so ist e schön.

Probenarbeit war und ist hart. Üben, üben, üben. Nur, wer ganz sicher ist, erlaubt sich im Programm keine Unsicherheiten.

OT Heino Weisheit
Laufeinheiten sind sehr wichtig. Ehe man mit Requisiten arbeitet, muss man viel, viel laufen. Man muss sicher sein und bisschen Haltung haben. Das lernt man nur durch viel Laufen. Am liebsten früh zwei Stunden, nachmittags zwei Stunden. Das wäre das Beste. Aber wir haben die Zeit einfach nicht. Wenig Leute und Aufbau und Transport, da ist Andrè weg und Doreen ist in anderen
Umständen, da fehlen zwei Leute, da fehlt es hinten und vorn. Aber wir geben uns viel Mühe, damit es weitergeht.

Um Andrè zu ersetzen, soll seine Schwägerin Heike in die Fahrradpyramide eingearbeitet werden. Sechs bis acht Wochen Übungsarbeit – schätzungsweise. Doch aller Anfang ist schwer. Auch für einen Hochseilprofi.

OT Heino Weisheit
Mit Heike wird das nichts. Du bist noch nicht firm genug. Da musst die Radfahren den ganzen Sommer. Hin und her, du musst so sicher werden wie beim Laufen. Das ist ja ein Welttrick, die Fahrrad-Pyramide. Es gab nur zwei Truppen, die sie gemacht haben, das war der Onkel Hans und wir – in ganz Europa.

Zusammen arbeiten, zusammen leben. In der Saison ist die Familie monatelang immer dicht beieinander.

OT Katrin Weisheit
Ich habe kein Problem damit, dass mein Vater auch mein Chef ist. Weil es gibt Probleme bei der Arbeit, das wird dann auch besprochen und wenn die Vorstellung vorbei ist oder der Aufbau steht, dann ist das auch vor bei. Dann geht der familiäre Teil los. Klar die Grenzen sind fließend, man kann nicht wie in einem normalen Beruf so einen Schnitt machen, aber wir sehen schon zu, dass wir Beruf und Familie klar getrennt kriegen.

OT Doreen Weisheit
Im Grunde macht jeder seins. Weil wir am Tage viel zusammen sind, das jeder ein bisschen Abstand hat, Ruhe hat. Es kommt auch mal vor, dass man zusammen im Wagen sitzt, mal erzählt oder was zusammen trinkt, das kommt auch vor, ist aber eher selten.

In ihren Wohnwagen können die Familienmitglieder abschalten.
Die größeren Kinder wie Katja und Elisabeth haben ihren eigenen. Und die Elternmüssen auf den heimischen Komfort nicht verzichten. Nur, dass alles wesentlich beengter zugeht als zuhause.
Peters Wohnwagen wird abends zum Büro, wenn er mit seiner Mutter das Programm des nächsten Tages durchgeht.

Der Platzmangel ist für die Jüngsten schwierig. Sie dürfen nur wenig Spielzeug mitnehmen. Aber wie jeder Weisheit sind sie voll und ganz dabei.

OT Katharina Weisheit
Wenn wir eine Weile zu Hause sind und es wärmer wird, dann fragt sie auch, obwohl sie erst fünf ist. Mama, wann geht’s den wieder los? Das hätte ich früher nicht gedacht. (…)
Das ist mir früher nicht so aufgefallen, was sie empfindet. Dass sie bewusst erlebt, wie wir wegfahren und wo wir auftreten. Sie weiß, dass sie sich teilweise einschränken muss, dass sie nur ein Paket Stifte mitnehmen kann, weil mehr nicht reinpasst. Aber es funktioniert prima. Doch.

Die Basis des Familienbetriebs im Winter und in auftragsfreien Wochen ist ein Hof in Gotha-Siebleben. Er muss den Vergleich mit einem mittelständischen Handwerksunternehmen scheuen. Reparaturen an den Fahrzeugen macht der Familienbetrieb in der eigenen Werkstatt selbst.

OT Heino
Warum ist das Selbstmachen so wichtig?
Weil man viel Geld spart. Man kann nicht mehr alles bezahlen oder machen lassen. Wenn du überlegst, wir haben ein paar Radlader machen lassen: 600 Euro! Das ist ein Witz! Mit diesen Preisen kann man gar nicht mehr existieren. Dann die hohen Spritkosten noch. Deshalb muss man schon viel selber machen.

Alle Weisheit-Kinder haben neben dem Artistenberuf auch handwerkliche Berufe erlernt. Die ermöglichen ihnen jederzeit den Ausstieg. Andererseits sind sie eine Grundvoraussetzung für das Überleben der Hochseiltruppe. Sie müssen keine teuren Kostüme kaufen, die gelernten Maßschneiderinnen Heike, Katharina und Katrin nähen selbst. Und Alexander ist gelernter Kraftfahrzeugschlosser. Er kümmert sich um den Fuhrpark.

OT Alexander, Rudi Weisheit
Das ist Opas Entscheidung gewesen. Wie das so ist mit 15. Was willst Du mal werden? Ich weiß nicht so genau. Und da hat er gesagt: Aber ich weiß, was du machst. Es war auch eine gute Entscheidung. Hat Spaß gemacht, schöner Beruf eigentlich.
Also haben sie entschieden, was der Alexander lernt, weil das wurde gebraucht in der Familie?
Rudi Weisheit
Haha, entschieden ist gut. Ich habe ihn darauf vorbereitet. Ich habe ihm suggeriert, dass es günstig ist für ihn und für uns.

Der Markt für Artistenvorstellungen wird immer kleiner. Das neue Geschäftmodell der Geschwister Weisheit richtet sich an Einkaufszentren. Dort, zwischen den Geschäften, bauen sie eine kleine Ausstellung auf und führen von montags bis freitags eine so genannte Artistenschule durch. Für Kinder die Möglichkeit, sich einmal selbst als Seiltänzer zu versuchen. Der Nebeneffekt: Sie machen Werbung für ihre Vorführung vor dem Einkaufsmarkt am Wochenende. So haben sie dann viele Zuschauer, und das Einkaufscenter betreibt Kundenpflege.

OT Peter Weisheit
Wollen wir es mal so sagen: Wenn sie eine regional bekannte Rockband nehmen und die Bühnenkosten dazu rechnen, dann liegen sie deutlich über einem Engagement der Geschwister Weisheit. Und dann machen wir nicht ein Konzert über zweieinhalb Stunden, dann sind wir das ganze Wochenende mit mehren Shows täglich vor Ort. Nicht nur eine Zielgruppe, sondern Jung und Alt und nicht 800 Leute vor der Bühne, sondern 2000-3000.

OT Rudi/Heino Weisheit
(Rudi) Es gab immer mal Höhen und Tiefen. Aber wir haben weitergemacht. Und wir haben uns gedacht: Der Kaiser Wilhelm hat es nicht geschafft, die Weimarer Republik nicht, der Adolf Hitler nicht, der Honecker nicht…(Heino) Aber unsere schaffen es. Die würden es schaffen, da glaube ich nicht, dass wir noch mal 100 Jahre werden bei der Regierung. (Rudi) Weißt du doch nicht! (Heino) Ach, hör auf, der Opa. (Rudi) Du darfst nicht so pessimistisch sein, immer optimistisch!

Und solange die Familie zusammenhält und immer wieder Nachwuchs fürs Hochseil hervorbringt, wird es weitergehen. Da sind sich die Weisheits ganz sicher.

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